5 Tage von Insbruck über den Kühtai-Sattel, das Timmelsjoch, das Stilfser Joch, den Umbrail-Pass, den Reschenpass, die Norbertshöhe und das Zeinisjoch nach Bludenz vom 7. bis 12. August 2024 …
Prolog
Schluss mit lustig
Kurzentschlossen hab ich vor ein paar Tagen ein Ticket nach Innsbruck gebucht und eine Strecke geplant.
Kühtai-Sattel, Timmelsjoch, Stilfser Joch, Schlinig-Pass, Uina-Schlucht, Fimberpass, Bielerhöhe, Lindau. Das ist der Plan für die kommenden vier Tage. Änderungen wegen “ist mir zu anstrengend” sind jederzeit möglich ![]()
Im zweiten Teil der Tour geht es auf Trails durch die Berge. Fahrrad schieben und tragen wird angesagt sein. Daher bin ich mal mit gaaaanz kleinem Gepäck unterwegs, das passt in einen leichten Rucksack, so dass sich das Rad besser tragen lässt. So weit die Theorie.
Ich bin sehr gespannt und werde heute Abend noch den Sonnenuntergang am Kühtai-Sattel jagen.
Happy Ness ![]()


Tag 1
Ich muss mich kurz fassen, zu viel bewegt mich nach dem krassen Tag incl. Nacht.
Bescheuert optimistische Idee, manchmal wird es klasse, heute war es stressig. Klasse wars zwar auch aber der Stress war zu viel.
Start gegen 18 Uhr, der Zug hatte Verspätung. Sonnenuntergang am Kühtai unrealistisch. Gut so. Es hätte mich sofort getötet. Ohne Hetze hoch. Schwache Beine. Nicht gut. Alle halbe Stunde ein Auto. Gut. Fahrt in die Nacht. Ich liebe es. Kühtai ist ein gemeiner Pass. Extrem steile Rampen. Unrhythmisch. Runter massive Probleme mit den Bremsen. Details spar ich mir.
In der Nacht das Ötztal hoch auf phantastischen Radwegen. Brücken über tosende Flüsse. Zu Essen und zu Trinken hatte ich diesmal genug dabei. Bäckerstop Punkt 6 Uhr in Sölden. Lecker Kaffee, belegte Brötchen, süsse Stückchen usw.
Um 7 wollte ich ursprünglich an der Mautstelle sein, weil dort um 7 Uhr der Pass freigegeben wird. Von dort aus sind es noch 500 Höhenmeter bis zum Pass. Um 10 war ich an der Mautstelle. Zweites Frühstück. Beine nach wie vor leerer als leer. Endloses Gestrampel hoch zum grandiosen Pass. Hunderte Rennräder m/w/d sind an mir vorbeigeflogen.
Kack-Abfahrt wegen der Bremsen. Der untere Teil des Passeier-Tals eine Wohltat. 30 km rollen bis Meran. Dann noch 15 km das Etschtal hoch. Ätzend zäh.
Plan war, heute 50 km weiter zu kommen und schon mal 1000 Höhenmeter der Stilfser-Joch-Anfahrt abzuknabbern. So wie das heute lief komm ich morgen nicht übers Stilfser Joch und bis Sonntag auch nicht irgendwo hin, wo ich gut mit dem Zug nach Hause komme. Ich werde vielleicht komplett umplanen müssen.
In zwei Wochen hab ich den Mist vergessen und plane bestimmt weiterhin bescheuert optimistische Geschichten. Klappt ja manchmal.
Kurz, wirr, unsortiert runtergeschrieben.
Happy Ness ![]()


















Tag 2
Hab geschlafen wie ein toter Fels. Beim Aufwachen stellte sich die entscheidende Frage … was macht der Körper, insbesondere die Beine?
Croissants holen beim 50 Meter entfernten Campingkiosk ging schon mal prima. Kaffee gab es 500 Meter weiter. Ab aufs Rad. Kaffee holen. Ging besser als befürchtet ![]()
Frühstücken, Zeug packen und los. Weiter das Etschtal hoch. Stetig leicht bergauf. Fühlt sich 10 mal besser an als gestern. Ich bin auf der Via Claudia Augusta. Tolle Wege und Infrastruktur. Schnuckelige Rastplätze, Cafés, Restaurants, Brunnen… Ich muss schauen, dass ich nicht alle 3 Kilometer Bock auf Kaffee, Kaltgetränk, Kuchen und sonst was hab. Naja. Bock hab ich alle 50 Meter ![]()
Das Vinschgau zeigt sich von der allerbesten Seite. Sonne pur, sehr warm, tolle Badestelle, ab ins kühle Nass.
Fahrradläden. Ich steuere jeden an. Zwei mal Pech, beim dritten ein komplett unkooperativer Chef. Hatte alles da. Könnte bis morgen Mittag die Bremsen tauschen. Werkzeug wollte er mir nicht leihen.
Im vierten Laden in Prad am Stilfser Joch hatte ich Glück. Ein toller Mechaniker. Souverän in Arbeit ertrinkend mit dem vollen Überblick. Gibt mir neue Bremsen, ich darf sie selbst wechseln, er muss am Ende nur noch 10 Minuten lang die Leitungen ablängen und entlüften. 80 Euro komplett, Hammer! Fettes Trinkgeld! Danke ![]()
In Prad muss ich mich entscheiden. Weiter Richtung Stilfser Joch oder alternativ über den Reschenpass.
Ich hab unfassbar viel Lust aufs Stilfser Joch. Gestern noch undenkbar. 650 Höhenmeter bis zum Campingplatz bei Trafoi. Ein guter Test.
Es ging unglaublich gut. Gefühlt 10 mal so viel Power wie gestern. Immer wieder faszinierend. Test bestanden. Für heute. Morgen nur noch 1200 Höhenmeter
Schon wieder Übermut
Hier unten gibt es schon grandiose Blicke auf die Gletscherwelt.
Happy Holle und Happy Ness ![]()



















Tag 3
Oooohhh, wie ist das schööön! Mit Bremsen die bremsen
Erst mal ging es aber mit Bremsen, die bremsen ohne zu bremsen das Stilfser Joch hoch.
Muskelkater von vorgestern hat sich breitgemacht. Gehen tut weh, radeln geht gut. Das Stilfser Joch fährt sich relativ angenehm. Klar. Easy geht anders
Frühstück nach 200 Höhenmetern. Unterwegs das eine oder andere Pflichtfoto der Serpentinen. Sehr viel Verkehr. Zu viele Motorräder, PKWs und Busse fahren mit viel zu wenig Abstand bzw. pressen sich trotz Gegenverkehr vorbei. Hunderte Radfahrer sind unterwegs. 95% überholen mich, bei den paar in etwa gleich langsamen kommt Freude auf. Egal, wir kommen auch oben an. Volksfeststimmung. Bratwurststände ohne Ende, Tausende Menschen.
Samstag, fast 30°C auf 2700 Metern Höhe, Sonne pur. Alles klar. Trotzdem phantastisch. Es gibt auch ruhige Ecken hundert Meter abseits ![]()
Die Abfahrt ins Val Mustair ist sensationell schön. Ich kann wieder fahren wie ich will. Die Abfahrt ist leer. Unterwegs bekomme ich noch den Umbrail-Pass geschenkt.
Kurz durch die Schweiz, zurück nach Italien. Unten musste ich mich entscheiden. Geplante Strecke macht keinen Sinn. Zu wenig Zeit. Also morgen über den Reschenpass. 18 Uhr, ab zum Campingplatz. Der ist voll. Ich soll zum Reschensee fahren meint der Chef. Als er mich rumhumpeln sieht meint er, ich könnte in der Nähe an der Etsch wild zelten und zum Duschen vorbeikommen.
Sehr gut. Ich schau nach einer schönen Stelle, denke dann, schei$$ drauf, die 600 Höhenmeter kann ich auch noch hochkurbeln. Unterwegs ein Dorffest. Glückspommes und weiter. Tolle Strecke, gute Beine, gute Laune.
Campingplatz, zweiter Versuch. Eine kleine Lücke zwischen eng aneinander stehenden Zelten. Passt. Bin halt wieder auf der Via Claudia Augusta. Da ist zelten kein Wunschkonzert.
Was für ein toller Tag mit vielen wunderbaren Momenten, die ich gar nicht alle erwähnen kann ![]()
Morgen gehts nach Hause. Muss noch recherchieren, wann, von wo ich mit dem Zug fahre.
Happy Ness ![]()























Tag 4
Heute gab es keinen Zug, der mich von erreichbaren Bahnhöfen nach Hause gebracht hätte. Mich bringt niemand um, wenn ich Montag spontan nicht arbeite, so bin ich erst mal los geradelt.
Über den Reschenpass und die Norbertshöhe. Die ist ja mal klasse
In meiner Richtung ein kurzer Anstieg und eine etwas längere Abfahrt. Total leer, bester Asphalt, tolle Kurven. Grins grins grins
Runter ins Inntal, noch mal bisschen Schweiz.
Tolle Radwege am Inn entlang, wunderschöne Landschaft, Hitze, Spaß ![]()
Abzweig nach Samnaun. Hier könnte ich doch noch über den Fimberpass nach Ischgl. Erst mal Züge checken. Von Imst aus ginge was. Von Bludenz auch. Imst ist kurz und langweilig, kein Berg mehr dazwischen. Ich buche Bludenz. Entweder über den Fimberpass oder das Paznauntal hoch zum Kopsstausee. Fimberpass kann ich nicht einschätzen, selbst über Landeck und das Paznauntal wird es vor der Dunkelheit fast nicht zu schaffen sein. ![]()
Egal, Zug ist gebucht, es gibt kein Zurück mehr. Es läuft unfassbar gut. Die Beine sind müde, schmerzen ein wenig aber sie geben Gas. Die Steigung ist aber auch super angenehm.
Tolle Lichtstimmungen, Gewitter liegen in der Luft. Hochrechnungen ergeben, dass ich trotz Gulasch- und weiteren Snackpausen noch vor 21 Uhr oben sein könnte. Auf den letzten 2 Kilometern blitzt es und vereinzelte Regentropfen kommen runter.
Jetzt bitte bitte bitte nicht noch richtig nass werden. Glück gehabt. Auch am Campingplatz. Er ist voll, eine kleine Lücke, da darf ich mich reinpressen ![]()
Die Gewitter gingen an mir vorbei. Es blitzt und leuchtet pausenlos irgendwo in der Ferne.
Was für ein Tag schon wieder, ich bin total geflasht. Vom tagelangen Kaiserwetter, von den Bergen, die ich soooo intensiv die letzten drei Jahre nimmer erlebt hab. Von den Auf und Abs. Von der Tiroler, Südtiroler und Schweizer Küche. Von den neuen Bremsen ![]()
Jetzt fängt es an, heftig zu regnen. Völlig egal, ich lieg im Zelt und muss nimmer raus.
Oberhappy Holle und Happy Ness ![]()
















Epilog
Ich genieße morgens noch ein paar Stündchen die Berge. Der Ausblick aus dem Zelt verdient mindestens 5 Sterne
Apropos Sterne. Hier oben gibt es nachts 0,0001 Lichtverschmutzung. Bin um 2 Uhr mal aufgewacht und hab einen wahnsinns Sternenhimmel samt Sternschnuppen bestaunt ![]()
Hier oben am Kopsstausee ist es unglaublich schön. Ich werde mal für ein paar Tage zum wandern wiederkommen! Abfahrt ins Tal. Ein supersteiler asphaltierter Weg ( ich dachte, es wäre ein Schotterweg). Low Speed. 10 bis 20 Meter laufen lassen, Serpentine. 10 bis 20 Meter laufen lassen. Serpentine. Gefühlte fünfzig mal. Dann wunderschön auf einem Radweg an der oder dem Ill entlang das Montafon runter.
Apfelstrudelfrühstück, ein Bad im Fluss und schon bin ich in Bludenz. Ich wollte noch lecker deftige Montafon-Küche genießen. Beispielsweise Knödel. In Bahnhofsnähe gab es nur FastFood. Hol ich halt den Donnerstagsdöner nach. Sehr fein ![]()
Jetzt sitz ich entspannt in Zug 1 von 3. So darf es weitergehen ![]()
Ich bin dankbar, solche abartig geilen Abenteuer erleben zu können. Keinerlei Zipperlein. Ein Geschenk
Klar, schwache Beine am Anfang. Das geht in Ordnung. Ich weiss das einzuordnen. Hadern auf hohem Niveau.
Wie immer werde ich alles noch sortieren, zusammenfassen, Erkenntnisse ins Hirn brennen, träumen …
Happy Ness ![]()
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Fazit
Für die Statistik: 457 km, 8500 Höhenmeter.
Der Plan, die Pässe/Strecken, die ich unbedingt mal fahren wollte in eine zeitlich kurze Tour zu packen war (zu) ambitioniert.
Ich lote manchmal halt gern meine Grenzen aus. Die erste Etappe hat mir meine Grenzen klar aufgezeigt
Das Gute daran ist, dass irgendwelche Anstrengungen danach mehr oder weniger Kinderfasching sind. Ohne den ersten Tag hätte ich wahrscheinlich wegen der Hitze und Anstrengung am Stilfser Joch rumgejammert ![]()
Den Geländeteil mit Schlinig-Pass, Uina-Schlucht und Fimberpass musste ich leider auslassen, das hätte den Zeitrahmen komplett gesprengt. Das werde ich mal in einem entspannteren Zeitrahmen nachholen.
Ansonsten bin ich aber restlos begeistert. Besser hätte ich dieses kurze stabile Sommerhoch fast nicht ausnützen können. Kühtai, Timmelsjoch und Stilfser Joch haben meine Erwartungen mehr als erfüllt. Es war grandios. Dazu die unglaublich schönen Radwege entlang der Flüsse (Passeiertal, Etschtal, Inntal, Paznauntal) mit wunderbaren Rastplätzen, Cafés, Restaurants. Unzählige Trinkwasserbrunnen an der gesamten Strecke. Reschenpass und Norbertshöhe waren nicht geplant, haben mich aber auch komplett begeistert. Eher liebliche Landschaft, ein schöner Kontrast zu den hohen Pässen.
Zu guter Letzt der Campingplatz am Zeinisjoch/Kopsstausee. Grandiose Landschaft dort oben, da wollte ich schon immer mal übernachten ![]()
Bewährt hat sich auch das absolut minimalistische Gepäck. Die Nächte auf zwei mal ca. 1600 Metern und einmal 1850 Metern Höhe waren angenehm kühl, da hab ich mich abends sogar über die dünne Daunenjacke gefreut. Die kommt ja eh IMMER mit, gerade im Gebirge weiss man ja nie.
Genug gesagt. Die Tiefs sind vergessen, ich werde sicherlich wieder (zu) ambitionierte Aktionen starten ![]()
Happy Ness ![]()



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