Jungfraumarathon 2006

Frei­tag mit­tag bin ich mit Regi­ne aus Lud­wigs­burg nach Inter­la­ken gefah­ren, eine net­te W55-Läu­fe­rin, mit der es unter­wegs viel zu erzäh­len gab.

Hab dann erst mal mein Zim­mer ange­schaut, die 6 schwei­zer Läufer/innen, mit denen ich das Zim­mer in der total schnu­cke­li­gen “Back­pa­ckers Vil­la” teil­te waren schon aus­ge­flo­gen, so mach­te ich mich allein auf den Weg, mei­ne Start­num­mer abzu­ho­len und mich zu stär­ken …

Eine net­te Piz­ze­ria war schnell gefun­den, nach Cola, Piz­za und Cap­puc­ci­no schau­te ich mir noch ein wenig das Städt­chen an. Inter­la­ken, für mich bis dahin ein schwar­zer Fleck auf der Land­kar­te ent­pupp­te sich als schö­nes Städt­chen.

Dann gings ins Bett, die Schwei­zer waren auch gera­de dabei, sich hin­zu­hau­en, waren 4 net­te Jungs und 2 net­te Mädels etwa in mei­nem Alter, ange­neh­me Zim­mer­ge­nos­sen. Die Nacht war sehr sehr unru­hig, um 6:30 war ich der ers­te beim Früh­stück. Susan­ne, eine Hei­del­ber­ge­rin, die seit 25 Jah­ren in den USA lebt leis­te­te mir Gesell­schaft, nach dem Früh­stück hat­te ich mei­nen ers­ten per­so­nal Fan an der Stre­cke

Sie frag­te, wo ich denn zum Zuschau­en hin­ge­hen wür­de, ich emp­fahl die Glet­scher­morä­ne, dort woll­te sie dann bei­zei­ten zum Anfeu­ern bereit­ste­hen.

Back­pa­ckers Vil­la war nur ca. 500 Meter vom Start ent­fernt, so ging ich erst mal mei­nen Klei­der­beu­tel abge­ben, um dann in der Vil­la noch gepflegt das wich­tigs­te Vor­wett­kampf­ge­schäft zu erle­di­gen. Vor dem Start noch schnell ein Foto und schon gings los. Ich war spät dran, so dass ich mal wie­der irgend­wo über die Ban­de geklet­tert bin, vor mir in Sicht­wei­te war ein Pace­ma­ker mit oran­ge­nem Luft­bal­lon, noch wei­ter vor­ne einer mit einem blau­en Luft­bal­lon. Zuerst geht es eine ca. 5 km lan­ge Run­de durch die Stadt, es war sehr voll auf der Stre­cke, erst nach ca. 3 km lief ich auf den oran­ge­nen Pace­ma­ker auf, auf sei­nem Shirt stand 4:45

Aus dem Bauch raus hat­te ich 4:45 ange­peilt, viel­leicht 4:30, 5 Stun­den schätz­te ich als sicher und rela­tiv stress­frei erreich­bar ein, war aber alles sowie­so nur Spe­ku­la­ti­on.

Nach 5 km hat­te ich mich bei 5 min/km ein­ge­pen­delt und es fühl­te sich recht locker an. Das Wet­ter war übri­gens phan­tas­tisch, Son­ne pur, ange­neh­me Tem­pe­ra­tu­ren, viel­leicht einen Tick zu warm aber von Hit­ze konn­te kei­ne Rede sein. Nun ging es das Tal nach Lau­ter­brun­nen hoch, erst mal alles noch sehr flach, irgend­wo auf die­sem Teil­stück über­hol­te ich den blau­en Pace­ma­ker, auf sei­nem Shirt war 4:30 zu lesen, es lief gut, also dach­te ich, lass ihn hin­ter Dir, was Du hast hast Du. Ab km 15 waren dann doch schon eini­ge erwäh­nens­wer­ten Stei­gun­gen drin, 250 Höhen­me­ter müs­sen ja schliess­lich bis km 20 auch erst mal gemacht wer­den. Das Tem­po wur­de berg­auf auto­ma­tisch etwas lang­sa­mer, die Halb­ma­ra­thon­mar­ke erreich­te ich nach 1:48, alles im grü­nen Bereich.

Nun lie­fen wir noch eine Schlei­fe durchs Tal, bevor der Anstieg nach Wen­gen bei km 25,5 begann. Bis hier­hin gabs schon tol­le Aus­bli­cke auf die schnee­be­deck­ten Ber­ge, der ser­te Teil war kei­nes­wegs lang­wei­lig, ver­gli­chen mit dem, was noch kom­men soll­te dage­gen kaum erwäh­nens­wert.

Bei km 25,5 gings scharf ums Eck und da war sie, “die Wand”. Ich hat­te ja schon viel davon gehört und war dar­auf vor­be­rei­tet, ich hat­te mich sogar drauf gefreut. Wan­dern statt lau­fen, das war mir sehr recht. Ab hier stand alle 250 Meter ein Kilo­me­ter­schild, so hat­te man sogar stän­dig das Gefühl, vor­wärts zu kom­men.

Das Stück nach Wen­gen hoch lag mir sehr gut, ich hat­te einen sehr zügi­gen Schritt drauf, es ging kon­stant steil berg­auf, sehr wenig fla­che­re Pas­sa­gen, bei denen ich schon merk­te, dass mir das Anlau­fen schwer fiel.

In Wen­gen war genia­le Stim­mung, über­haupt war bis­her schon immer wie­der für gute Unter­hal­tung gesorgt. Alp­horn­blä­ser, Gug­gen­mu­sik, Trom­meln, Kuh­glo­cken und vie­le vie­le Zuschau­er.

Die Land­schaft wur­de nun immer gran­dio­ser, stei­le Pas­sa­gen wech­sel­ten sich mit fla­chen, ebe­nen und Berg­ab­pas­sa­gen ab. Hier hat­te ich Pro­ble­me, den Rhyth­mus zu fin­den, es dau­er­te nicht allu­lang bis mich der 4:30-Pacemaker über­hol­te. Er lief auf den fla­chen Stü­cken deut­lich schnel­ler als ich und wenns steil wur­de lief er noch ein gan­zes Stück wei­ter, bevor er in einen zügi­gen Wan­der­stil wech­sel­te. Ich hät­te kei­ne Chan­ce gehabt dran­zu­blei­ben.

So ent­schied ich mich früh­zei­tig für die Vari­an­te, kei­ne Ziel­zeit mehr anzu­pei­len. Vie­le Läu­fer und auf­fal­lend vie­le Läu­fe­rin­nen über­hol­ten mich. Ich genoss die Land­schaft, freu­te mich, dass es mei­nen Bei­nen sau­gut ging und hat­te auch in die­ser Pha­se rich­tig viel Spass. Die Zeit ver­ging und die Morä­ne kam näher. Regi­ne lief zu mir auf, ich hab ja schon Erfah­rung mit W55-Wun­der­läu­fe­rin­nen und mach­te mir nichts draus, was unse­re Lauf­treff­le­rin Gud­run auf fla­chen Stre­cken ist ist Regi­ne bei Berg­läu­fen, regio­na­le Spit­ze. Wir freu­ten uns gemein­sam, dass es uns noch so gut ging.

Es folg­te die Glet­scher­morä­ne, ein stei­ler Pfad durch Geröll und über Stei­ne, an Über­ho­len war nicht zu den­ken, das Tem­po der vor mir wan­dern­den war abso­lut okay. Es war total kurz­wei­lig, wei­te­re Alp­horn­blä­ser sowie der Dudel­sack­spie­ler waren wei­te­re High­lights. Mühe­los war der höchs­te Punkt erreicht, dort gab es lecke­re schwei­zer Scho­ko­la­de, über­haupt war die Ver­pfle­gung sagen­haft, beson­ders gefreut hab ich mich immer wie­der über die Bul­li­on, mei­ne Theo­rie, dass mir bei Mara­thon Salz fehlt hat sich bestä­tigt, ab und zu ein Becher Bul­li­on hat­te sicher für die­sen sor­gen­frei­en Lauf gesorgt.

Nun gings noch ca. 200 Höhen­me­ter run­ter, ich lief rela­tiv lang­sam, immer mehr Läu­fer hat­ten mit Krämp­fen zu kämp­fen. 200 Meter vor dem Ziel dach­te ich, Mensch, so könn­te ich heu­te noch ne Wei­le wei­ter­lau­fen und wan­dern, wars das wirk­lich schon? Hab mich gefreut wie ver­rückt, als mir die Finis­her­me­dail­le umge­hängt wur­de lie­fen die Trä­nen, auf ein­mal waren sie da, die Emo­tio­nen, Glücks­ge­füh­le, schlag­ar­tig war die Stim­mung von “war das alles” nach “ich hab was Gross­ar­ti­ges hin­ter mir” gewech­selt.

Hab noch 4 Stun­den oben ver­bracht, gefut­tert, die Son­ne genos­sen, geduscht, Finis­her beju­belt …

18:15 nahm ich die Bahn zurück nach Inter­la­ken, der Dudel­sack­spie­ler war mit im Abteil, ein total wit­zi­ger Kerl, der stän­dig lus­ti­ke Anek­do­ten erzähl­te.

Ich geh, der Berg bleibt, den Mus­kel­ka­ter haben ande­re.

Habe fer­tig.

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