Trollinger Marathon 2005 - mein erster und nicht letzter!

Vor dem Start traf ich 2 Lauf­treff­kol­le­gen, Harald, der nor­ma­ler­wei­se sehr schweig­sam ist hat­te wohl sehr viel Schiss und muss­te durch was­ser­fall­ähn­li­che Redeschwäl­le dage­gen ange­hen, das war schon mal sehr erfri­schend. Er ver­ab­schie­de­te sich dann in einen Start­block wei­ter hin­ten, da er die 4 Stun­den ange­peilt hat­te.

Dirk hat­te 3:30 im Visier, mein­te, wir könn­ten ja zusam­men den Lauf ange­hen, ich sag­te, dass ich wohl ange­sichts der Hit­ze eher Rich­tung 3:40 los­lau­fen woll­te, also war sofort klar, dass wir zusam­men los­lau­fen, da er mich ja schon ein wenig kennt (3:40 ansa­gen, 3:20 lau­fen).

Das Star­ter­feld war über­sicht­lich, ca. 1000 Möch­te­gern-Mara­tho­nis setz­ten sich dann auch ohne Geran­gel und Stau nach dem Start­schuss in Bewe­gung. Dirk hat­te ein gutes Tem­po­ge­fühl, so lie­fen wir also von Anfang an kon­stant um 5 min/km. Alle 2,5 km gab es Geträn­ke und ich trank von Anfang an bis zum Ende an jeder Sta­ti­on ca. 0,5 Liter, hab mir auch von Anfang an Geh­pau­sen beim Trin­ken gegönnt. Hat­te ein­fach jede Men­ge Schiss, aus­ge­trock­net an der Stre­cke zu ver­en­den. Den ers­ten kna­cki­gen Berg nah­men wir recht locker, nach 10 km lagen wir bei ca. 52 Minu­ten. Dirk war stän­dig am rech­nen, ich hat­te mich schon zu die­sem Zeit­punkt von allen Ziel­zei­ten und Plä­nen ver­ab­schie­det. Es lief ein­fach locker und gut, Dirk zeig­te schon leich­te Schwä­chen. Ich frag­te ihn, ob er noch im Wohl­fühl­be­reich läuft, er mein­te, es gin­ge ihm nicht gut. Hab dann zusam­men mit ihm Tem­po raus­ge­nom­men.

Irgend­wann tauch­te erst­mals unser Lauf­treff­trai­ner mit dem Fahr­rad auf, klas­se, er stand min­des­tens 10 mal an der Stre­cke und foto­gra­fier­te fleis­sig, moti­vier­te uns, warn­te uns und gab mir ein gutes Gefühl.

Bei km 15 auf der Neckar­brü­cke erwar­te­te mich eine Grup­pe 0auf42er-Grou­pies, 500 Meter vor­her begann ich aus­zu­pro­bie­ren, ob der antrai­nier­te „mir geht’s sau­gut, Mara­thon ist total easy“-Blick funk­tio­niert. Er funk­tio­nier­te. Ab auf die Brü­cke, lächeln, jubeln, war echt ne Rie­sen­freu­de, die Jungs und Mädels an der Stre­cke zu sehen. Hier bekam ich auch mei­nen ers­ten Power­drink gereicht. Hab kurz auf Dirk gewar­tet und bin mit ihm bis ca. km 18 wei­ter­ge­lau­fen, dann brach er ziem­lich stark ein und ich zog allein wei­ter.

Ein wei­te­rer Lauf­treff­kol­le­ge war mit dem Motor­rad an der Stre­cke unter­wegs und auch er stand 5 oder 6 mal am Rand, foto­gra­fier­te und bau­te mich immer wie­der auf. Er frag­te immer mal wie­der nach, wies mir geht und wie schnell ich unter­wegs bin. Mir fiel auf, dass mir die Zei­ten schon lan­ge wirk­lich egal waren, hab natür­lich immer mal hoch­ge­rech­net und konn­te zuschau­en, wie sich die Ziel­zeit von 3:30 über 3:40 Rich­tung 3:50 ent­wi­ckel­te. Immer wie­der erin­ner­te er mich an sei­nen Ein­bruch vor einer Woche in Wien und benei­de­te mich um die Freu­de, die ich ihm wäh­rend des Laufs rüber­brach­te. Für ihn war Wien ein Frus­t­er­leb­nis, das half mir unge­mein.

Längst hat­te sich der Spass in den Vor­der­grund gedrängt. Zuschau­er anhei­zen, auch mal 10 Sekun­den eine der vie­len kal­ten Duschen genies­sen, 2 Minu­ten an Ver­pfle­gungs­stel­len ver­wei­len…

Bei km 26 kam die Schlüs­sel­stel­le, ein ca. 1,5 km lan­ger Berg mit ca. 10% Stei­gung, paar km vor­her hat­te ich mir die ers­te Power­bar-Gel-Kacke in mei­nem Leben rein­ge­pfif­fen. Ich weiss, bei nem Mara­thon macht man kei­ne Expe­ri­men­te, aber ich dach­te, lie­ber drehts mir den Magen um als dass die Bei­ne irgend­wann sagen, nichts geht mehr, Schluss aus, lauf Du mal ohne uns wei­ter. Der Berg war klas­se, die meis­ten Läu­fer wur­den zu Wal­kern, ich jogg­te lang­sam hoch, wuss­te ich doch, dass Gün­ter, der Lauf­treff­trai­ner garan­tiert an die­sem Berg ste­hen wür­de um ein­mal einen schwä­cheln­den lei­den­den Hol­le zu sehen. Nix da, nicht mit mir. Den Berg bin ich am Vor­tag noch mit dem Rad run­ter­ge­fah­ren, da kam er mir län­ger vor. Gün­ter stand am Rand, mein­te, Du läufst ja immer noch und siehst ver­dammt frisch aus, das lief run­ter wie Öl und ich fühl­te mich noch gut, frisch wär dann doch leicht über­trie­ben. Ich frag­te ihn, wie lang der Berg noch sei, er sag­te, da vorn, nach 50 Metern siehst Du die Burg, dann geht’s noch 100 Meter recht flach hoch und dann geht’s erst mal berg­ab.

Ein letz­tes Dörf­chen mit vie­len Zuschau­ern, dann gings in ein­sa­me Wein­ber­ge, das Feld war weit aus­ein­an­der­ge­zo­gen, hier gings mir zum ers­ten Mal nicht so gut. Das änder­te sich, als immer mehr Läu­fer walk­ten, rum­stan­den, sich Krämp­fe raus­dehn­ten. Sor­ry, das gab den nächs­ten Schub, kur­zer Hän­ger vor­bei, alles Kopf­sa­che, so schlecht gings mir doch gar nicht.

Irgend­wann kam mir Kle­mi, ein Freund, bei dem ich über­nach­tet hat­te mit dem Fahr­rad ent­ge­gen. Er beglei­te­te mich ca. 2 km weit, aller­dings hät­te ich ihn umbrin­gen kön­nen. Ist ja echt ein lie­ber Kerl, aber er kann schon unglaub­lich ner­ven. Als ers­tes erzählt er mir, dass die 2 Kenia­ner schon frisch geduscht sind, wirk­lich moti­vie­rend. Dann irgend­was von nem Beach­vol­ley­ball­tur­nier, wo wir eigent­lich im Moment mit­spie­len könn­ten, jaja, wür­de mir auch bes­ser gefal­len. Dann von sei­nen 5000-Meter-Sie­gen aus der spä­ten Jugend, gut, hab ich ja erst ca. 591 mal gehört, die Sto­ries, und wenn ich mal zum Zuhö­ren ver­dammt bin und nicht abhau­en kann, dann MUSS man das ja mal erzäh­len. Hey Du *********, ICH lauf grad MARATHON, ich bin ein Held (bis­her jeden­falls noch), wür­di­ge das gefäl­ligst, bau mich auf, sag mir, dass die rest­li­chen 12 km schon noch irgend­wie vor­bei­ge­hen oder gib mir Dein Fahr­rad. Er dreh­te dann ab und ich war froh, mei­ne Ruhe zu haben. Beach­vol­ley­ball, es gibt wenig, was ich in die­ser Pha­se nicht lie­ber gemacht hät­te als lau­fen. Bei 30 °C in ner Pom­mes­bu­de am Grill ste­hen wär sicher die Wahn­sinn­s­er­fri­schung. Oder viel­leicht Fahr­rad­ku­rier in der Saha­ra, da könn­te man es ab und zu mal ne Düne run­ter­rol­len las­sen …

Mit­ten in die­se „okay, Mara­thon, schön und gut, ein­mal reicht, den Rest mei­nes Läu­fer­le­bens begnü­ge ich mich mit wun­der­ba­ren Halb­ma­ra­thons und 10ern“-Phae hin­ein tauch­te Uwe, ein treu­er 0auf42er an der Stre­cke auf. Er radel­te neben mir her, reich­te mir den zwei­ten Power­drink und lenk­te mich ganz klas­se ab. Wir beschlos­sen, dass er Rich­tung Ziel mit­ra­delt und ich ihn dann mit­samt Fahr­rad mit in die Hei­mat neh­men kann. Es kamen recht ätzen­de Stre­cken­ab­schnit­te, die Kilo­me­ter­schil­der lies­sen recht lang auf sich war­ten. Immer­hin mach­ten wir nun zusam­men Stim­mung, feu­er­ten die Zuschau­er an, uns anzu­feu­ern. Es klapp­te rich­tig gut. Mei­ne Lau­ne war noch präch­tig, ich sag­te zu Uwe, dass ich gern auch lang­sa­mer lauf wenn er nim­mer kann. Lei­der konn­te er noch, ein letz­ter Berg, hoch gings gut, run­ter immer schlech­ter, die Hüf­te schmerz­te, das kann­te ich bis­her noch nicht.

Ca. 4 km vor dem Ziel tra­fen sich die die Stre­cken der Halb­ma­ra­tho­nis und der Mara­tho­nis. Die Halb­ma­ra­tho­nis waren 1einhalb Stun­den nach mir gestar­tet, was bedeu­tet, dass die nun doch deut­lich lang­sa­mer unter­wegs waren. Mei­ne Ziel­zeit hat­te sich inzwi­schen ja Rich­tung 4 Stun­den ent­wi­ckelt, d.h., die Halb­ma­ra­tho­nis lagen dort so unge­fähr auf Kurs 2:20 bis 2:30.

Der nächs­te Schub, kon­ti­nu­ier­li­ches Vor­bei­zie­hen an stöh­nen­den Halb­ma­ra­thon-Weich­ei­ern, sor­ry, aber irgend­wie muss man sich ja noch mal moti­vie­ren. Vor­ne erspäh­ten wir einen 0auf42er, es dau­er­te ewig, bis ich ihn ein­ge­holt hat­te, woll­te aber wis­sen, wer das ist, und sie­he da, ein zumin­dest vom Namen her bekann­te Fori. Kur­zer Small­talk, noch ca. 2 km.

Es wur­de noch mal rich­tig hart, 1 km vor dem Ziel eine letz­te Geträn­ke­sta­ti­on, noch ein mal einen Becher Was­ser schnap­pen, kurz gehen, Blick auf die Uhr, ha, ich kann den letz­ten Kilo­me­ter spa­zie­ren und bleib unter 4 Stun­den, klas­se. Nee­nee, so nicht, Du Mem­me. Noch­mal antra­ben und schon wur­de es kurz­wei­lig. Über die Brü­cke, auf die Gera­de vor dem Sta­di­on, wo ne Men­ge Zuschau­er stan­den, die letz­te Schwä­che­pha­se war wie weg­ge­bla­sen, es hat ein­fach nur noch Spass gemacht, schar­fe Links­kur­ve, rein ins Sta­di­on, noch ca. 100 Meter auf der Tar­tan­bahn. Die gros­se Jubel­or­gie. Ein Hol­le-Schrei, Frett Feu­er­stein und sei­ne Hol­de, klas­se! 100 Meter Gefühls­aus­bruch. Die Ziel­mat­te… Pieps, nächs­te Mat­te.… Pieps… Geschafft. Die gros­se Lee­re. 200 Meter Tar­tan­bahn bis zu den kal­ten Frei­luft­du­schen, danach der Geträn­ke­stand. Grin­sen im Gesicht, Durst, Schwe­re.

Ab auf den Fuss­ball-Rasen in der Mit­te, fal­len las­sen. Krämp­fe, egal, ich hab Zeit, die gehen schon mal irgend­wann weg. Im 5‑Minutentakt ver­such­te ich, auf­zu­ste­hen, um in den Schat­ten zu gehen, kei­ne Chan­ce, bei jedem Ver­such ein Krampf. Nach ner hal­ben Stun­de hats dann geklappt, hab Uwe wie­der getrof­fen, von Minu­te zu Minu­te gings mir bes­ser. Kei­ne Krämp­fe mehr, nur mini­ma­le Pro­ble­me beim Trep­pen­stei­gen, klas­se.

Kör­per­lich geht’s mir nun, Stun­den spä­ter unwahr­schein­lich gut, im Kopf eine gewis­se Lee­re und Zufrie­den­heit. Natür­lich alle mög­li­chen Ana­ly­sen ohne Ergeb­nis.

Es war wun­der­schön, es war ver­dammt hart. War es so hart, wie ich es mir vor­ge­stellt hab? Woll­te ich mich heu­te nicht rich­tig quä­len? Hab ich mich total gequält und weiss es nicht? Kei­ne Ahnung, ********gal. Es war schö­ner als ich es mir vor­her vor­ge­stellt hat­te, vor­her kreis­ten die Gedan­ken eh nur dar­um, Ein­bruch oder nicht, Schmer­zen oder schlim­me Schmer­zen, 3:30 oder 3:40 usw.

Kurz die schnö­den Daten: 03:53:49, ers­te Hälf­te in ca. 01:49, zwei­te Hälf­te in ca. 02:04, Platz 142 von 681 Finis­hern bei ca. 1000 Star­tern wenn’s stimmt, AK 35 von 141, da brech ich nun mal nicht in Jubel aus bin aber auch nicht das kleins­te biss­chen ent­täuscht, im Gegen­teil, ich bin froh, gesund und mun­ter durch­ge­kom­men zu sein!

Dan­ke allen Grou­pies, ihr habt mir eine Rie­sen­freu­de berei­tet und den Tag sicher noch unver­gess­li­cher gemacht als er ohne­hin schon ist!

Ich freu mich auf die nächs­ten Tage, da wird ne Men­ge hoch­kom­men.

Das waren die ers­ten Gedan­ken zu einem der inten­sivs­ten Tage mei­nes Lebens, kurz und wirr nie­der­ge­schrie­ben, dan­ke fürs Lesen.

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